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Geschichte

Entstehung
Anfangs der Sechzigerjahre begann im St. Johannquartier der evangelisch reformierte Pfarrer Felix Tschudi im Rahmen der kirchlichen Berufsgruppenarbeit mit Arbeiter- und Industriekursen. Daraus entwickelte sich ein ökumenisches Gespräch zwischen Kirchenvertretern und führenden Vertretern der Basler Chemischen Industrie. Von katholischer Seite war daran Pfarrer Andreas Cavelti beteiligt. 1969 konnten die beiden Pfarrer einen ersten „Pfarrerkurs für Industriefragen“ mit 25 Teilnehmern bei der damaligen J.R. Geigy AG durchführen. Aus den gewonnenen Erfahrungen entstand die Idee, die zum ökumenischen Pfarramt für Industrie und Wirtschaft führte. 1970 beschlossen die Evangelisch-Reformierte Kirchen Basel-Stadt und Basel-Landschaft die Schaffung eines Industriepfarramtes. 1971 erfolgte die Einsetzung von Pfarrer Felix Tschudi als erstem Amtsträger. 1974 beschlossen auch die römisch-katholische Kirchen Basel-Stadt und Basel-Landschaft die Errichtung eines Pfarramts für Industrie und Wirtschaft und wählten Dr. Josef Bieger-Hänggi als ersten Amtsträger.

Brückenschlag 
Die vollamtliche Tätigkeit eröffnete neue Möglichkeiten für die Aufgaben, welche die Träger-Kirchen definiert hatten. In der Arbeitswelt engagierten sich die beiden Amtsträger als sachkundige Gesprächspartner in sozial- und wirtschaftsethischen Fragen und entfalteten eine rege Kurs- und Referatstätigkeit in Wirtschaftsverbänden, Berufsschulen und Unternehmen. In den Pfarreien und Gemeinden förderten sie das Verständnis in Fragen um Arbeit, Beruf, Konsum und gesellschaftlichem Leben. Mit Betriebsseminaren und Fortbildungsangeboten für Seelsorgerinnen und Seelsorger leisteten sie Beiträge zum besseren Verstehen wirtschaftlicher Zusammenhänge. 

Am Puls der Zeit
Gemeinsames Bemühen war für die Industriepfarrämter wegleitend. Es führte 1976, als Rezession und Arbeitslosigkeit in der Schweiz wieder zu bekannten Begriffen wurden, zur Gründung der „Ökumenischen Genossenschaft Arbeitshilfe“ – „Overall“. 1981 erfolgte die Pensionierung von Pfr. F. Tschudi, sein Amt übernahm im darauf folgenden Jahr Pfr. Paul Luterbacher. 1983 wurde als weiteres exemplarisches Projekt, die Stiftung „Arbeitslosenrappen“ mit Unterstützung der Industriepfarrämter geschaffen. Im Jahr darauf konnte als drittes Projekt die „Bachstube 84“ an der Oetlingerstrasse realisiert werden. Die immer engere ökumenische Zusammenarbeit führte 1984 zum Entschluss eine Bürogemeinschaft zu bilden. Im Anbau des Pfarrhauses von St. Joseph an der Amerbachstrasse fanden sich dazu geeigneten Räume. Es kam bestimmt nicht von ungefähr, dass man sich im unteren Kleinbasel installierte. Wo anders wohl konnte das Industriepfarramt näher am Puls der Zeit sein, sich einsetzen um Brücken zwischen Kirche und Arbeitswelt zu schlagen? 

Frauen und Arbeit 
In den Jahren 1989/90 wurde das katholische Industriepfarramt durch Hildegard Wörz Strauss, Pastoralassistentin unterstützt. Es war eine bereichernde Mitarbeit. Es war gleichzeitig ein vielversprechender Anfang für eine gezielte Ausrichtung auf die Situation und die Probleme der Frauen in der Arbeitswelt. Nicht nur Frauenfragen als ein Jahresschwerpunkt, sondern auch die spezifisch frauliche Sicht der Arbeitswelt haben seither einen wichtigen Platz in der Tätigkeit des Industriepfarramtes erhalten.

Zusammenrücken
Die in zwanzig Jahren in den konfessionell getrennten Industriepfarrämtern gewonnen Erfahrungen und die Überzeugung, dass ein gemeinsames Auftreten der katholischen und reformierten Amtsträger wirksamer wäre, führten nach intensiven Beratungen zum Entschluss der vier Landeskirchen, ein gemeinsames ökumenisches Pfarramt zu schaffen. Nach Unterzeichnung des entsprechenden Vertrags durch die zuständigen Organe wurden die beiden Aufsichtsgremien Ende 1992 aufgelöst. Im Januar 1993 konstituierten sich die Delegierten der Partnerkirchen in der Leitenden Kommission des von nun an gemeinsam auftretenden Ökumenischen Industriepfarramtes.

Stabübergabe 
Nach 18 Jahren engagiertem Einsatz im Industriepfarramt wollte sich Dr. J. Bieger Ende 1993 neu orientieren. An seine Stellen traten im Frühjahr 1994 die Theologin Irene B. Richheimer und der Theologe und Betriebsökonom Alex Wyss-Scholz. Auf das neue Team warteten vielfältige Aufgaben. Die Arbeitslosigkeit in der Schweiz erreichte einen Höhepunkt. Betroffen waren in besonderem Masse Jugendliche und Frauen. Fusionen und Restrukturierungen sowie die vielfältigen menschlichen Folgen dieser Prozesse erforderten auch vom Industriepfarramt besondere Massnahmen. Dabei konnte man auf die Erfahrung von Pfr. P. Luterbacher zählen. 1996 entstand mit Unterstützung des Industriepfarramts „Tischlein deck dich“. Auch das Beziehungsnetz zwischen Kirche und Wirtschaft musste zum Teil neu geknüpft werden, denn Reorganisationen und viele Frühpensionierungen hatten zu manchen Veränderungen geführt. 

Ein aktualisiertes Konzept
Im Blick auf die 1998 bevorstehende Pensionierung von Pfr. Luterbacher ergriff die Leitende Kommission die Gelegenheit, die Erfahrungen der Amtsträger auszuwerten und darauf aufbauend ein aktualisiertes Konzept für die zukünftigen Tätigkeitsbereiche, Zielgruppen und Schwerpunkte zu erarbeiten. Da auch Diakon A. Wyss und Irene B. Richheimer neue Aufgaben in der Gemeinde- Seelsorge übernehmen wollten, galt es eine komplett neue Stellenleitung zu wählen. Die Stellenausschreibung zeigte ein grosses, weit über die Region hinausgehendes Interesse. Nach zahlreichen Bewerbungsgesprächen konnte die Leitende Kommission von katholischer Seite Dr. theol. Gabriele Kieser und von reformierter Seite Pfr. Dr. theol. Lukas Kundert den Trägerkirchen zur Wahl vorschlagen. Ende 1998 wurden die scheidenden Amtsträger in einem Gottesdienst in der Matthäuskirche verabschiedet. 

Neustart
Am 2. Mai 1999 erfolgte die Amtseinsetzung der neuen Stellenleiter in der katholischen Kirche in Muttenz. Mit viel Elan nahmen die beiden Amtsinhaber ihre Aufgabe in Angriff. Neue Beziehungen zu Frauen und Männern, zu Verbänden, Gewerkschaften und Organisationen der Arbeitswelt sowie zu Pfarreien und Kirchgemeinden wurden geknüpft. Im Bereich Arbeitslosigkeit konzentrierte sich die Tätigkeit auf Fragen der Integration von Langarbeitslosen, auf Beratungen von Organisationen, Politikern und der Betroffenen. Einen anderen Schwerpunkt bildete der neu aufgenommene Unterricht in Wirtschaftsethik am Wirtschaftsgymnasium Basel. 

Die Zeit des vorläufigen Umzugs an den Lindenberg bedeutete für die Tätigkeit des Industriepfarramtes keine Zäsur. Im Gegenteil, im Haus „zum stillen Wind“, in Tuchfühlung mit der Gassenküche entstand neues, so etwa die Beratungsstelle „Time-out“, ein Ort der Unterstützung für Menschen in Krisensituationen. Neu konstituierte sich ein aus den Landeskirchen und der Wirtschaft zusammengesetztes Forum „Kirche und Wirtschaft im Gespräch“. Am 24. Mai 2002 konnte das neue, alte Domizil an der Amerbachstrasse bezogen und die Arbeit im bewährten Team fortgesetzt werden. 

Erweiterte Angebote
Gruppengespräche mit Berufsleuten über biblische Texte, Wirtschaftsfrauen, die im Burgund etwas Klosterluft schnupperten, sowie ein aus den Weiterbildungsveran-staltungen für Personalvertreterinnen und –Vertreter entwickeltes Intervisionsprojekt von Pfrn. Dr. Elisabeth Grötzinger, das durch den Personaleinsatzfonds der ERK Basel-Stadt ermöglicht wurde, sind nur ein paar Beispiele ausgebauter und von Menschen in der Arbeitswelt gut aufgenommenen und geschätzten Tätigkeitsfelder. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die weiterhin angespannte Wirtschaftslage einen besonderen Einsatz für die immer zahlreicheren Ratsuchenden erforderte.

Abschied und Neubeginn 
Im Frühjahr 2004 demissionierte Pfr. Dr. L. Kundert nach seiner Wahl zum Präsidenten des Kirchenrates der Evangelisch-Reformierten Kirche Basel-Stadt. Er hat sich im Pfarramt für Industrie und Wirtschaft wie ein innovativer Unternehmer engagiert, hat vieles bewegt, verändert und den sich ändernden Bedürfnissen angepasst. Als sein Nachfolger konnte Pfr. Martin Stingelin gewählt und am 22. Oktober in der Ökolampad-Kirche in sein Amt eingesetzt werden. Auch Pfrn. Dr. E. Grötzinger beendete ihre Mitarbeit im Pfarramt mit Abschluss der Projektphase. Ihre Nachfolge in der Intervisionsarbeit übernahm als freie Mitarbeiterin Pfrn. Barbara Stuwe Anton. 

Online und in Farbe
In der neuen Zusammensetzung wurden wichtige bisherige Tätigkeiten wie das Engagement in Sachen Wirtschaftsethik, Präsenz in der Arbeitswelt, Gesellschaftspolitik und Arbeitslosenprojekte fortgeführt, aber auch einige neue Akzente gesetzt. Dazu gehören neben einem neugestalteten Jahresbericht, die Gestaltung einer Homepage auf der das vielseitige Angebot, die mannigfaltigen Dienstleistungen und das breite Beziehungsnetz des Pfarramts für Industrie und Wirtschaft ersichtlich ist und schliesslich der Ausbau des Bereichs Beratung und Unterstützung. Zu letzteren zählen die „Persönlichkeitsentwicklung mit PRH“ (Personalité et Relations Humaines) durch G. Kieser sowie „Mediation in und zwischen Organisationen“, die nach dem Ausscheiden von Pfrn. B. Stuwe Anton ab 2007 durch Pfr. M. Stingelin weitergeführt und breiter gestreut wurde. 

Wertediskussion
Nicht nur, aber besonders in der Folge der Bankenkrise und des Vertrauensverlustes in die Wirtschaft war die Meinung der Amtsträger des Pfarramts für Industrie und Wirtschaft zum Thema „Werte in Gesellschaft und Arbeitswelt“ gefragt. Bei Betriebsseminaren, Veranstaltungen der Kommission Kirche und Wirtschaft im Gespräch und bei einer Dreiländertagung sowie im Rahmen der Kirchentage am Rheinknie konnte sich das Industriepfarramt einbringen. Ein neues Mandat: die Unterstützung in Krisensituationen für Lernende des Ausbildungsverbunds „aprentas“ und der Berufsfachschule Gesundheit BL erweiterten das Engagement für junge Menschen im Arbeitsleben. 

Mehr als ein Sekretariat 
Im Dezember 2007 konnte Annemarie Renz-Schaffter ihr 10-jähriges Jubiläum als Sachbearbeiterin im Sekretariat des Industriepfarramts begehen. Sekretariatsarbeiten, Führung der Buchhaltung, geduldige, freundliche und immer hilfsbereite Empfangs- und Auskunftsstelle waren das eine, Mitarbeit im Vorstand des Treffpunkts Glaibasel, Mitwirken bei der Gestaltung und Durchführung der Ethiktage aber auch immer wieder der Einsatz als kulinarische Gastgeberin für die „Wirtschaft“ des Pfarramtes das andere, was sie in Ergänzung zum üblichen Pflichtenheft mit Begeisterung und viel Herzblut in all den Jahren geleistet hat. 2007 bis 2009 wurde im Rahmen einer Projektarbeit zusammen mit Annemarie Segna ein Instrument „Informationen aus der Arbeitswelt BL/BS“ erstellt mit dem Ziel einen Überblick zu schaffen über die Unternehmen der Region. Die Dokumentation steht den Pfarreien, Gemeinden und ihren Seelsorgern zur Verfügung.

Wieder ein Wechsel
Nach fünf Jahren galt es bereits wieder Abschied zu nehmen von Pfr. Martin Stingelin. Er wurde ehrenvoll zum Präsidenten des Kirchenrates der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Basel-Landschaft gewählt und hat 1. Juli 2009 die neue herausfordernde Aufgabe übernommen. Es war eine leider etwas kurze Tätigkeitsdauer im Industriepfarramt, doch der initiative, kontaktsuchende und kontaktpflegende Amtsträger, der in einem breiten Netzwerk der Arbeitswelt die christliche Botschaft mit grossem Engagement vertreten und eingebracht hat, hinterliess an der Brücke zwischen Kirche und Wirtschaft unvergessliche Spuren. Als sein Nachfolger konnte Martin Dürr, Pfarrer der Johannes-Gemeinde in Basel gewählt werden. Er hat sein Amt am 1. November 2009 übernommen und wurde 20. Juni 2010 in der Margarethen-Kirche feierlich eingesetzt. Zuversichtlich stimmt, dass es möglich war, trotz der immer enger werdender finanzieller Möglichkeiten der Trägerkirchen das Industriepfarramt wieder kompetent zu besetzen und so mit einem vollzähligen Team die vielfältigen Aufgaben anzugehen.

Ein Blick zurück - Umbruch
2011 waren es vierzig Jahre her seit der Schaffung des Industriepfarramtes. Mut zu visionärem Handeln wurde anlässlich der Jubiläumsveranstaltung am 29. November den Kirchen in beiden Basel attestiert. Das erfreuliche Resultat einer Umfrage über Stellenwert und Zufriedenheit mit dem Angebot des ökumenischen Pfarramts, die Beachtung und Resonanz in den Medien über die Tätigkeit der Stellenleitung und die immer wieder spontanen positiven Reaktionen bei Begegnungen mit Menschen in der Arbeitswelt zeugten davon, dass dieser Dienst der Kirchen geschätzt und anerkannt wird. Nach dem Jubiläumsjahr kündete sich mit der Berufung der kath. Co-Leiterin als Seelsorgerin und Diakonieleiterin im Pastoralraum Greppen, der Pensionierung der langjährigen Sekretärin und der Neuverhandlung des 20-jährigen Vertrags der vier Trägerkirchen erhebliche Veränderungen an. 

Nach 14 Jahren mit Feuer und Flamme im Industriepfarramt wurde Dr. Gabriele Kieser mit einer eindrücklichen Würdigungs- und Dankesfeier in der Matthäuskirche Ende Oktober 2012 verabschiedet. 

Ein neuer, vorläufig bis 2015 geltender Vertrag konnte abgeschlossen werden. Er sichert für die nächsten Jahre den Fortbestand des Pfarramtes für Industrie und Wirtschaft BL/BS und erlaubte es einerseits mit Dr. theol. Béatrice Bowald-Furrer die kath. Co-Leitung per 1. November 2012 neu zu besetzen und mit Dagmar Vergeat andrerseits das Sekretariat zwar mit reduzierten Pensum, weiterzuführen.

Die Zeit vergeht, seit 2012 sind diesen November 6 Jahre ins Land gezogen. Martin Dürr, Béatrice Bowald sind immer noch in der Co-Leitung des PIWi's und auch Dagmar Vergeat arbeitet im Sekretariat. Viele spannende Podium's und Anlässe haben in den letzten Jahren stattgefunden, allesamt auf dieser Website zu finden. 


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